Menschen bei einem Fest
Das Zwickelfest der Schönauer Siedler ist gemütlich und familiär. Man hockt einfach beisammen, redet und genießt die Zeit. Foto: Paesler

Heiter und ganz leicht unwirklich

Schönau. Schon von Weitem hört man Musik und Stimmengemurmel. Dann kommt man näher, sieht die Bierbänke, an denen die Leute sitzen, und davor, auf dem Parkplatz neben dem Siedlerheim, neun Tische. Zum Zwickelfest gehört nämlich ein Flohmarkt, für den der Verein das ganze Jahr über sammelt.

Es gibt Taschen, Herrenhemden, Poloshirts, Schuhe, Haushaltssachen; ein Schwerpunkt liegt auf Kinderkleidung und Spielsachen, die sind am meisten gefragt. Roswitha Mehr wohnt eigentlich in der Gartenstadt, ist aber gebürtige Schönauerin. Ihre Familie lebt hier noch, zu den Siedlern gehören frühere Schulkameraden von ihr, es zieht sie also immer wieder her.

Elisabeth Bückermann ist die Zweite im Bunde. Sie lebt in der Pfalz, aber ihre Schwester ist bei den Schönauer Siedlern und bat um ihre Mithilfe. Bückermann sammelt sowieso Gebrauchtes für soziale Zwecke. Was sie auf dem Flohmarkt nicht verkauft, bringt sie in Sozialkaufhäuser. „Ich kaufe selbst in solchen Häusern“, sagt sie freimütig. „Vom Geld her bräuchte ich das nicht, aber die Sachen sind zu schade, um sie nicht weiter zu benutzen.“ Das Reinigen und Sortieren der gebrauchten Sachen macht viel Arbeit, aber sie findet es lohnend. „Es geht auch um Nachhaltigkeit.“

Trotz Hitze sind heute viele da. Die Stimmung ist gut, die Leute genießen den Spätsommer und das Beisammensein. An einem Stehtisch betrachtet ein Mann sein Menü, bestehend aus Wurst im Brötchen und Kaltgetränk. Er zückt das Handy und fotografiert zufrieden seine Mahlzeit. Für zwei Zwickel, also vier Euro, kann man hier auf seine Kosten kommen. Also für heiße Wurst und ein Glas Bier oder ein Stück Kuchen plus die Tasse Kaffee. Die Siedler sind gerne Gastgeber, die Gäste gerne gekommen. Die offenen Pavillons bieten Schutz vor der Sonne. Selbst vor einem Regenschauer wären die meisten geschützt, quasi an alles ist gedacht. Es geht familiär zu.

An der Bar entdeckt der Beobachter ein Bild, das ihn an einen amerikanischen Maler erinnert. Nur fünf Sekunden lang, dann verwirft er den Vergleich wieder. Bei Edward Hopper stehen die Leute auch schon mal an einer Bar. Aber das Licht ist anders und macht sogar die Figuren einsam, die bei Hopper beieinanderstehen. Hier sitzt die Dame mit elegant überschlagenen Beinen, der Herr steht lässig daneben. Hat schon was Amerikanisches, aber hier ist so viel Beziehung zwischen den Menschen (auch denen, die gerade nicht miteinander reden), dass die Hopper’sche Melancholie als Vergleichspunkt fehl am Platze ist. War ja nur eine flüchtige Idee.

Da betritt eine Frau mit einem sehr kleinen Hund den Platz. Sie nimmt ihn auf den Arm, holt sich ein Getränk und sitzt wenig später an einem Tisch, in Nullkommanichts mit der Tischnachbarin im Gespräch. Von zwei anderen Tischen aus winkt man einander zu. Es ist skurril. Bei zwei aneinander vorbeifahrenden Schiffen hat man Gelegenheit, Bekannten oder auch Fremden zuzuwinken. Warum winken Menschen, die an Tischen sitzen?

Offenbar sind sie schon ein Weilchen da und haben jetzt einander entdeckt. Lachend ruft man sich sogar Botschaften zu. Die Menschen sind fröhlich, die Luft mild, die Stimmung ganz leicht unwirklich. Käme jetzt ein fliegender Teppich vorbei, um den Beobachter abzuholen, er würde nicht an seinem Verstand zweifeln. Nein, beim Zwickelfest der Schönauer Siedler ist so ein Gefühl normal. Dennoch steigt er am Ende ganz nüchtern aufs Rad und kutschiert heiter nach Hause. jp

 

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