Kinder machen Musik
Fürs Foto mal gemeinsam am Klavier: Chantal, Ela, Tamia und Ansgar, im Hintergrund Stefan Zeitner. Foto: Paesler

Genippt wird an Musikinstrumenten

Waldhof-Ost. Gitarren verschiedener Bauart bis zum Bass, Schlagzeuge (auch ein E-Drum), Percussion-Sets, Bağlama, Cura, Ud, Tanbur. Was das ist? Das Musikzimmer im Soul-Men-Club, dem Jugendhaus in der Oberen Riedstraße. Ach ja, einige Klaviere stehen noch herum und außerdem ein paar Keyboards.

Stefan Zeitner meint aber: Bei allen Vorteilen von elektronischen Instrumenten – ein physisches Klavier, so richtig aus Holz und mit Saiten, klingt doch anders. Der Mann ist eben Vollblutmusiker. Weil er gerne kombiniert und improvisiert, hat er sich eigens eine Gitarre und eine Bağlama zusammenbauen lassen: den Korpus der Gitarre seitlich ausgeschnitten, den ovalen der Bağlama eingepasst. Die Hälse der beiden Saiteninstrumente verlaufen nun parallel wie bei einer Doppelhalsgitarre.

Zeitner ist gerade im Gespräch mit einer Mutter, die ihren Sohn dalässt. Sie wohnen in der Nähe, der Kleine ist begeistert von Instrumenten und Musik und will heute mitmachen. „Kannst du bis vier zählen?“ „Ja“, ist die Antwort mit hochgehobener Hand und vier Fingern, die sich nacheinander strecken. Ansgar sitzt bereits am Keyboard, Zeitner zeigt auf ein paar Tasten. „Und dann die grüne hier. Und immer bis vier zählen.“ Ansgar kann nicht nur bis vier zählen, er ist auch vier.

Er wirkt nicht wie ein Kind, das schon lange Klavierunterricht bekam und die ersten Griffe längst drauf hat. Er ist einfach interessiert. Er hat auch keine Scheu vor dem Instrument. Er drückt einfach mal einen Schalter und wiegt sich dann im Rhythmus des automatischen Schlagzeugs. Das macht ihm Spaß. Zeitner gibt ihm Kopfhörer, damit er weiter herumprobieren kann. Danach ist es möglich, sich im Raum wieder normal zu unterhalten.

Das hier ist keine Musikschule, hier wird kein Unterricht gegeben. Hier ist der Soul-Men-Club, der vollgestopfte Musikraum die Bar, und genippt wird nicht an gehaltvollen Getränken, sondern an Musikinstrumenten. Ins Blut gehen soll nicht das, was man einsaugt, sondern was dabei herauskommt – die Klänge, der Rhythmus. Hier ist ein Terrain zum Kennenlernen, Ausprobieren. Instrumente werden in Händen gehalten, gezupft, geschlagen, gestreichelt, getupft.

Es geht nicht um die richtige Technik und den perfekten Sound, sondern um den Sound selbst – und dass man der ist, der ihn erzeugt. Hier finden Instrumente den Weg zu Kindern und Jugendliche den Weg zueinander, über die Musik. Der Weg ist das Spiel.

So wie es bei Chantal (13), Ela (12), Tamia (12) und Kathi (13) geschah. Kathi ist heute nicht gekommen, aber die drei anderen Mädchen haben Lust, Musik zu machen. Sie sind als Gruppe schon lange zusammen und machen schon länger hier mit. Ob sie denn eine Band sind? Sie zögern kurz, das Wort ist doch recht groß. Ja, letztes Jahr hätten sie sich gegründet, sagt eine zögernd. Und wie sie heißen – also, als Band? Noch längeres Zögern.

„Out of Town“ sagt eine spontan. Zeitner sitzt im Hintergrund und lächelt mild. „Damit müsst ihr jetzt leben“, sagt er, „das kommt in die Zeitung!“

Dann der Moment, wo sie vorführen wollen, wie das klingt, wenn sie Musik machen. Zeitner sitzt an einem der Klaviere, gibt Takt und Einsatz vor. Ela hat eine E-Gitarre auf dem Schoß, Tamia hockt am Schlagzeug und im Hintergrund bedienen Ansgar und Chantal die Tastatur eines weiteren Klaviers.

Natürlich ist das kein Konzert. Hier zählt der Mut, vor Fremden zu zeigen, was man schon gelernt hat. Zwischen der Melodie und dem Rhythmus schwingt etwas mit, das man nicht hören, aber spüren kann: Das sind wir, und wir machen Musik. Tamia übt auch zu Hause auf ihrer E-Gitarre, das merkt man ihrem Spiel an. Sie war die erste hier und hat die Freundinnen angeschleppt.

Stefan Zeitner gibt auch Musikunterricht an der Gretje-Ahlrichs-Schule und auf Anfrage im Jugendhaus Einzelunterricht auf Instrumenten. Den Musikworkshop führte er zum 18. Mal durch, der geht jeden Sommer, immer vier Wochen lang; das Konzept dafür hat er eigens entwickelt.

Er war sehr gut besucht, dieses Jahr waren es 50 Kinder und Jugendliche. Zeitner sorgt dafür, dass es zwanglos zugeht. Er setzt Impulse, aber verfolgt das Ziel, dass die Kids Selbstwertgefühl, Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit entwickeln. Der Mann ist eben auch Vollblutpädagoge. jp

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